
Tag 12 – Papierproduktion, Thang Hen Lake, Wasserfall Nam Tran und Magic Eye Mountain
Nachdem es gestern zeitig ins Bett ging, geht es heute auch sehr früh raus. Ab 6:00 startet draußen irgendeine Veranstaltung mit lauter Musik, die uns aus dem Schlaf reißt. Unser Zimmer ist im 18. Stock mit wunderschöner Aussicht, aber der Lärm kommt ungedämpft hier oben an. Nun gut, dann stehen wir halt auf und trinken einen Kaffee. Wir haben ja schließlich einiges vor heute. Gegen 7:00 geht es zum Frühstücken und dann Fertigmachen auf dem Zimmer. Es ist noch sehr nebelig und kalt und wir sind ein bisschen überfordert, was wir an Kleidung anziehen und mitnehmen sollen. Also stopfen wir so ziemlich alles, das wir an langen Sachen dabei haben, in den Rucksack und gehen runter zum Roller. Gute Entscheidung, denn es ist wirklich kalt und der Rucksack wird umgehend geöffnet und alles angezogen, was sich darin befindet.
Unser erstes Ziel ist eine kleine Papierproduktionsstätte, die ich bei Google entdeckt habe. Sie liegt etwa 30 km entfernt und der Weg dorthin geht über Serpentinen mit Aussicht auf den Fluß. Roland fährt relativ langsam, denn der Fahrtwind ist eiskalt, die Sonne noch hinter den Hügeln versteckt. Nach etwa 45 Minuten biegen wir links ab und finden uns wieder in einem kleinen Dorf. Viele Häuser direkt an Feldern mit Reis, Mais und Süßkartoffeln. Darauf laufen Hühner und Hunde herum. Immer wieder kommen uns Menschen auf den schmalen Wegen entgegen, die freundlich grüßen. Schließlich sind wir am Ziel. Wir stehen auf der Straße vor den Häusern und fragen uns, ob wir hier richtig sind. Ein Mädchen kommt vom Feld und ich zeige ihr das Bild, welches bei Google Maps zu sehen ist. Sie führt uns noch ein bisschen weiter die Straße hoch zu einer Frau, die uns freundlich hereinwinkt. Sie hat ein Handy in der Hand und spricht hinein. Ah, ok. Wir kommunizieren über einen Übersetzer.
Zuerst führt sie uns zu einem kleinen Wasserbecken, in dem sich aufgeweichte Fasern befindet. Mit einer wasserdurchlässigen Matte nimmt sie Fasern auf und streift diese dann auf einem Stapel noch nasser Blätter ab. Von einem weiteren Stapel mit bereits leicht getrockneten Blättern nimmt sie eines ab und streicht es mit einem breiten Pinsel an die Hauswand, um es weiter zu trocknen. Lea ist wenig interessiert und hat nur Augen für den Wasserbüffel, der direkt hinter uns steht und gemütlich schmaust.



Danach geht es ein Stockwerk höher zu einem weiteren Verarbeitungsschritt. Dort sitzt ein alter Mann mit gütigem Gesicht und Lachen in den Augen. Die Frau zeigt uns den Baum, aus dem die Fasern gewonnen werden. Die Rinde wird abgeschält und lange gekocht, danach mit einem Holzschlägel gedroschen, um die Fasern herauszulösen. Lea schlägt ein paar Mal darauf herum, ist dann aber erneut abgelenkt von Tiergeräuschen.

Unter dem Boden ist der Schweinestall, in dem gerade eine Sau ihre Ferkel säugt. Durch einen Spalt im Boden können wir das beobachten. Die Frau will uns zum nächsten Punkt bringen, aber nun bietet uns der alte Mann einen Platz an seinem Tisch an. Er lädt Roland zu einem Maisschnaps ein, den er allerdings freundlich ablehnt. Wir bekommen ein Wasser und eine Süßkartoffel aus eigenem Anbau. Nun maunzt es laut und Lea ist abermals Feuer und Flamme und sucht nach der Quelle. Die Frau und der alte Mann beobachten das amüsiert und rufen die Katzen, die auch sofort kommen. Große und kleine. Die Frau sagt, es wären langsam zu viele und man müsste mal welche essen. Wir reden uns ein, dass sie das nicht ernst gemeint hat. Sie zeigt uns einen Stapel fertiger Papierseiten in unterschiedlichen Farben und erklärt uns, was zum Färben verwendet wird. Blätter und Blumen unterschiedlicher Konzentration, um stärkere und schwächere Farben zu erzeugen.

Dann geht es nach draußen zu einer Vitrine, in der ein paar Hefte und Blätter in unterschiedlichen Größen liegen. sie spricht davon, wie gern sie malt und Gesichte schreibt und sie möchte für uns singen. Ich soll sie aufnehmen, was dann, nach der eigentlich so schönen Erfahrung, doch etwas unangenehm ist. Wir kaufen zwei Hefte und bedanken uns. Der alte Mann überreicht Lea noch eine Tüte mit Süßkartoffeln und wir verabschieden uns.
Kurz kommt der Gedanke auf, wie schön es ist, so im Einklang mit Natur und Tieren zu leben. Wäre das etwas für uns? Vielleicht für ein paar Wochen, aber für immer? Kinder treiben die Wasserbüffel auf die Felder, damit die die Reste abfressen, den Boden durchtreten und gleichzeitig düngen. Dabei schauen sie zu und irgendwann geht es zurück. Das sieht von außen sehr idyllisch aus. Aber oft sehen wir auch alte Menschen, wie den alten Mann bei der Papierherstellung, die an einem Stock laufen und sich nicht mehr gerade aufrichten können. Man sieht, dass die Arbeit auf dem Feld, bei der man durchweg gebückt ist, dem Körper nicht gut tut.


Unser nächstes Ziel ist der Thang Hen Lake, der wunderschön sein soll. Dieses Mal fahre ich und es ist leichter als erwartet, mit Roland und Lea hinten drauf. Solange man nicht anhalten oder scharfe Kurven fahren muss, geht das ganz gut. Am See angekommen, laufen wir durch eine verlassene Ferienanlage, hinunter zum See und genießen die Aussicht und Stille für eine Weile. Ein Restaurant war hier eingezeichnet und wir hatten auf Mittagessen gehofft, aber durch die Nebensaison ist alles geschlossen. Also machen wir uns auf zum Wasserfall. Auch dort soll es etwas zu Essen geben. Vielleicht.




Google schlägt zwei Routen vor, wir entscheiden uns für die obere. Nun fährt wieder Roland und Lea sitzt zwischen uns. Nach ein paar Minuten schläft sie ein und ich habe meine Mühe, sie festzuhalten. Egal, die Landschaft entschädigt für die verkrampften Arme und Beine. Nun würde ich gern beschreiben, was alles zu sehen war, aber das lässt sich nicht in Worte fassen. Es ist einfach nur schön hier. Die Natur sieht noch intakt aus. Die kleinen Häuser, die an die Felder angeschlossen sind, die Menschen, die auf den Feldern arbeiten, die Kinder, die uns begrüßen, die Wasserbüffel, die Hühner und überall Hunde. Vor den Häusern und sogar am Kreisverkehr liegen große Planen, auf denen Maiskörner in der Sonne getrocknet werden. Wir verzichten auf Fotos, da uns das einfach unpassend erscheint.
Google führt uns am Ende in eine Sackgasse an den Eingang einer Schule. Hier kommt man auch zu Fuß nicht weiter. Dann müssen wir die zweite Route versuchen. Lea schläft noch immer und bekommt die 10 km Umweg gar nicht mit. Dieses Mal endet die Route auf einem Parkplatz, der voller Plastikmüll ist. Hier sind wir wohl richtig. Drei Pferde und zwei Wasserbüffel laufen herum und durchsuchen den Müll nach Essbarem.


Nun geht es zu Fuß weiter. Erst einen Hügel rauf. Oben angekommen schauen wir in ein Tal, welches aus „Herr der Ringe“ entsprungen sein könnte. Es ist 15:00 und die Sonne steht noch hoch genug, um das Tal in Licht zu baden. Man sieht den Magic Eye Mountain, Menschen und Wasserbüffel.






Naja, und etwa 100 weiße Zelte, denn dieses Tal wird als Zeltplatz für Ökotourismus verwendet. Umso schlimmer, dass wirklich alles voller Plastikmüll ist. Wir laufen nach unten, Lea immer den Wasserbüffeln auf den Fersen. Es sieht wunderschön aus. Rechter Hand soll es zum Wasserfall gehen. Dort sind keine Zelte oder Menschen, also laufen wir zielstrebig dorthin. Der Fluß hat im Moment nur wenig Wasser und somit ist der Wasserfall auch nicht ganz so beeindruckend, wie er es wohl sonst ist. Schön ist es trotzdem.


Hinter dem Wasserfall ist laut Google ein Restaurant zu finden und wir sind langsam wirklich hungrig, da es bis auf das Frühstück noch nichts gab. Wir laufen ein wenig den schmalen Pfad neben dem Fluss entlang, geben aber bald auf, denn hier gibt es sicher nichts. Also gehen wir zurück und teilen uns unterwegs die Packung Notfallkekse, die wir hier immer dabei haben. Es geht vorbei an der Wasserbüffelherde zurück zum Roller. Es ist spät, die Sonne verschwindet langsam und es wird kalt. Roland fährt das erste Stück unbefestigte Holperstraße, ich übernehme dann für etwa 15 km die Landstraße. Rollerfahrer ist hier echt spannend. Immer wenn es hinter einem hupt, sollte man möglichst rechts fahren und langsamer werden. Denn was von hinten kommt, ist nicht zu erkennen. Die Spiegel lassen sich nicht so einstellen, dass man etwas sieht. Als mich ein riesiger Bus überholt und vor mir einschert, weil auf der Gegenfahrbahn ein Auto kommt, habe ich schon etwas Bammel. Aber irgendwie klappt es doch. Wir haben noch nie einen Unfall beobachtet oder eine Unfallstelle gesehen.
Irgendwann ist mir so kalt, dass ich Roland bitte zu übernehmen er fährt die letzten 7 km bis nach Cao Bang. Wir holen unsere Wäsche ab, gehen eine Kleinigkeit für morgen einkaufen und schließlich geben wir den Roller ab. Vom Hotel aus suchen wir eine Pizzeria auf. Wir sind hungrig und haben Lust auf viel Salz und Fett. Das bekommen wir und sogar Lea isst ihre Pizza. Normalerweise kratzt sie immer alles an Belag runter. Dieses Mal nicht. Sie war wohl auch hungrig.